Warum diese Pensionskassen-Reform für die Frauen nicht funktioniert
von Gabriela Medici, Rentenexpertin beim SGB
Einleitung
Vor der Abstimmung über die Erhöhung des Frauenrentenalters haben alle den Frauen bessere Renten versprochen. Doch statt dieses Versprechen einzulösen, sollen erwerbstätige Frauen mit der Renten-Reform der 2. Säule nicht nur noch mehr bezahlen. Sondern für jeden Franken, der künftig eingezahlt wird, hätten sie weniger Rente garantiert als heute: ein BVG-Bschiss!
Auch die Anerkennung unbezahlter Sorgearbeit ist in dieser Reform weiterhin kein Thema. So wird sich die Rentenlücke nie schliessen lassen. Mit der Erhöhung der Lohnbeiträge würde sich für viele Frauen mit tiefen Löhnen die Lebenssituation während des Erwerbslebens verschlechtern: Sie hätten weniger Geld zur Verfügung. Und würden nach der Pensionierung trotzdem auf Ergänzungsleistungen (Sozialhilfe) angewiesen bleiben, da ihre Rente nicht zum Leben reicht. Zwar soll es für die Übergangsgenerationen «Kompensationen» geben, doch diese sind miserabel. Und auch der längst nötige Teuerungsausgleich in der zweiten Säule wird durch diese Reform nicht eingeführt. Die Folge: Die laufenden Renten würden weiter sinken deshalb. Einzig Banken, Versicherungskonzerne und Pensionskassen würden von dieser «Reform» profitieren: Sie spült mehr Geld in ihre Kassen, so dass sie munter weiter Geld verdienen.
Dieser BVG-Bschiss geht nicht auf. Denn für alle Generationen würde er bedeuten: mehr bezahlen, weniger Rente! Statt dieser Mogelpackung braucht es endlich rasche Verbesserungen bei den Frauenrenten.
Die Gründe und Argumente im Einzelnen:
Die Pensionskassen wurden einst eingeführt, damit wir im Rentenalter unseren gewohnten Lebensstandard weiterführen können. Für die Frauen wurde dieses Versprechen aber nie eingelöst. Denn die Pensionskassenrente ist immer noch direkt mit einem Lohnarbeitsverhältnis verbunden. Doch zwei Drittel der von Frauen geleisteten Arbeit ist immer noch unbezahlt. Die Bedeutung dieser Arbeit für das Funktionieren unserer Gesellschaft und Wirtschaft ist unbestritten. Aber anders als in der AHV wird diese unbezahlte Sorgearbeit in der Pensionskasse weder als Arbeit anerkannt noch finanziell ausgeglichen.
Alle Studien und Zahlen des Bundes belegen klar: Die Rentenlücke ist enorm. Aus der 2. Säule erhalten Frauen gerade mal rund halb so viel Rente wie Männer. Diese Rentenlücke – auch Gender Pension Gap genannt – ist in der Schweiz grösser als im europäischen Durchschnitt. Sie entsteht vor allem, wenn Frauen Kindern bekommen. Die Rentenlücke zwischen Frauen mit Kindern und Männern mit Kindern beträgt unglaubliche 41.5 Prozent. Damit ist klar: solange eine BVG-Reform die geleistete Sorgearbeit nicht anerkennt, wird das Problem der Rentenlücke nicht gelöst!
Die BVG-«Reform» ist vor allem ein Rentenabbau. Mit dem diesem Bschiss drohen bis zu 3’200 Franken weniger Rente pro Jahr. Besonders betroffen sind Arbeitnehmende über 50 Jahren und die Mittelschicht. Aber auch ganz Jungen drohen Renteneinbussen.
Grund für den Rentenabbau ist, dass der Umwandlungssatz mit dieser «Reform» weiter gesenkt werden soll. Der Umwandlungssatz bestimmt, wie viel Rente eine Person für ihr in der Pensionskasse angespartes Vermögen erhält. Wird er gesenkt, sinken auch die Renten. Dabei haben die Pensionskassen eben diese Umwandlungssätze in den letzten 10 Jahren bereits um 20 Prozent gesenkt! Obwohl die Löhne der Frauen und ihre Lohnbeiträge an die Pensionskassen steigen, gibt es für dasselbe Ersparte immer weniger Rente. Die «Reform» würde das nochmals verstärken: für jeden Franken, der künftig eingezahlt wird, wäre noch weniger Rente garantiert als heute.
Mit der Reform steigen die Beiträge an die zweite Säule um bis zu 2’400 Franken jährlich. Das trifft insbesondere Personen mit tieferen Einkommen hart. Für diese Personen – darunter viele Frauen – liegen höhere Lohnabgaben schlicht nicht drin. Mit dieser «Reform» hätten sie während des Erwerbslebens noch weniger Geld zur Verfügung und bekämen Jahrzehnte später eine lächerlich kleine Pensionskassenrente von weit unter 1’000 Franken. Damit wären sie weiterhin auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Ihre «Rentenverbesserung» bliebe praktisch wirkungslos, da sich ihr Anspruch auf Ergänzungsleistungen im gleichen Umfang verringern würde.
Dies bestätigt auch die Konjunkturforschungsstelle der ETH:
«Für die tieferen Einkommensklassen […] bleiben die neuen Renten aber per saldo für das Alterseinkommen wirkungslos, da sich die Ergänzungsleistungen in gleicher Höhe verringern. Diese Personen müssten während des Erwerbslebens also neu Beiträge an eine Pensionskasse leisten, ohne dass sich damit ihre finanzielle Situation im Alter verbessert.»
(Graff 2023:86)
Zum Beispiel Coiffeusen und Kosmetikerinnen
In dieser Branche arbeiten zu 80 Prozent Frauen. Die Löhne bleiben meistens eine ganze Karriere lang unter 5’000 Franken pro Monat. Zwei konkrete Folgen der Reform in der Pensionskasse für diese Branchen:
- Für 80 Prozent der Beschäftigten, die beim Inkrafttreten der Reform über 50 Jahre alt sind, kostet die Reform mehr als sie bringt.
- Die Lohnbeiträge pro Kopf steigen um 3 Prozent für alle Arbeitnehmenden – das sind ca. 150 Franken Mehrkosten pro Monat.
Der BVG-Bschiss konkret: Finanzielle Konsequenzen im Detail
(in Franken pro Monat)
Die Preise steigen und alles wird teurer. Anders als in der AHV werden die Renten der 2. Säule nicht an die steigenden Kosten angepasst. Mit den steigenden Lebenskosten verliert die Pensionskassenrente in 20 Jahren über einen Viertel ihres Werts.
Rentner:innen verlieren also andauernd an Kaufkraft. Bereits die Erwerbstätigen trifft dasselbe Problem: Wird ihr Altersguthaben nicht mindestens gleich hoch verzinst, wie die Teuerung ausfällt, schrumpft die zukünftige Rente. Der Teuerungsausgleich in der 2. Säule wurde der Bevölkerung vor über 50 Jahren versprochen, doch auch mit dieser «Reform» ist das Parlament das Problem nicht angegangen.
Für Personen, die in den ersten 15 Jahren nach Inkrafttreten der Reform in Pension gehen, sollen die Rentenkürzungen etwas abgefedert werden. Mindestens die Hälfte aller Betroffenen würde aber dennoch keine Kompensation erhalten – darunter viele Frauen. Denn die Renteneinbussen werden nur kompensiert, wenn strenge Voraussetzungen erfüllt sind. Viele Frauen werden keinen Anspruch auf Kompensation haben, da sie die Voraussetzung nicht erfüllen, mindestens 15 Jahre in einer Pensionskasse versichert gewesen zu sein. Nur Renten bis knapp 1’000 Franken pro Monat sind voll geschützt. Personen, die mehr angespart haben, drohen drastische Rentenverluste.
Teilweise ist noch völlig unklar, was bei einer Annahme der Reform überhaupt gelten würde. Unter anderem ist offen, wie die Rentenverluste bei einer Scheidung oder einer Frühpensionierung kompensiert würden. Vieles müsste erst durch den Bundesrat und Gerichte festgelegt werden – nach jahrelangen Prozessen. Die Rentenunsicherheit für Frauen ist bei dieser BVG-Reform riesig!
Kommt hinzu: für die Kompensationen und den mit ihnen verbundenen bürokratischen Aufwand müssen alle Arbeitnehmende bezahlen, egal ob sie eine Kompensation erhalten oder nicht. Die einzige Ausnahme: Hohe Einkommen über 150’000 Franken pro Jahr. Sie müssten sich nicht beteiligen, dafür hat das Parlament gesorgt.
Immer mehr Frauen sind heute erwerbstätig und in einer Pensionskasse versichert. Viele Frauen arbeiten aber aus familiären Gründen Teilzeit und erhalten deshalb auch weniger Lohn. Befürworter:innen der BVG-Reform betonen, dass Teilzeitarbeitende bei einer Annahme besser abgesichert würden. Das ist aber ein Scheinargument. Denn 90 Prozent der Pensionskassen haben bereits eine Teilzeitlösung eingeführt. Doch obwohl in der 2. Säule Teilzeitlösungen bereits weitestgehend umgesetzt sind, bleibt die Rentenlücke der Frauen unverändert gross. Gerade berufstätige Mütter mit Betreuungsaufgaben werden deshalb auch mit dieser «Reform» im Alter nicht besser dastehen. Für jeden Franken, der künftig eingezahlt werden soll, wäre weniger Rente garantiert als heute. Viele Mehrfachbeschäftigte wie beispielsweise Tagesmütter oder Frauen in der Reinigung hätten auch mit dieser Reform keinen Pensionskassenanschluss. Schlimmer noch: Arbeitgebende in Tieflohnbranchen würden umso mehr darauf achten, keine Verträge auszustellen, die einen Zugang zur 2. Säule ermöglichen. Damit würden prekäre Arbeitsverhältnisse noch gefördert!
Viele Versicherte fragen sich zu Recht: Wo bleibt das ganze Geld, das wir in die Pensionskassen einbezahlt haben? Die aktuelle Situation der Pensionskassen klärt das schnell: Sie schwimmen im Geld und haben hohe Reserven angehäuft. Mit der «Reform» sollen wir mehr bezahlen für noch tiefere Garantien. Damit erhielten Pensionskassen, Banken und Versicherungskonzerne noch mehr Geld!
Schon heute kostet die Verwaltung der Pensionskassen über 1’400 Franken pro Person – und das jedes Jahr. Allein für die Vermögensverwaltung gehen jährlich 6 Milliarden Franken drauf. Laut Expert:innen müsste das nicht so sein, das Einsparpotenzial ist gross! Für die Finanzindustrie ist das Geschäft mit Pensionskassengeldern lukrativ, denn sie verdienen immer mehr daran. Kurz gesagt: Die Versicherten bezahlen, damit ihre Pensionskassen und deren Manager:innen abkassieren können.
Auch die Versicherungskonzerne betreiben das Geschäft mit den Pensionskassen gewinnorientiert: Sie bieten vor allem kleineren Unternehmen teure Pensionskassenlösungen an, die für die Versicherten schlecht sind. In den letzten 20 Jahren streichen die Versicherungskonzerne so 9 Milliarden Franken Gewinn von unseren Pensionskassenbeiträgen ein. Während bei den Arbeitnehmenden immer weniger Rentengeld ankommt.
Diesen Geldabflüssen wird mit der BVG-Reform kein Riegel geschoben. Es darf nicht sein, dass mit dieser «Reform» noch mehr Geld versickert!
Kostenentwicklungen in der 2. Säule
Entwicklung der Vermögensverwaltungskosten: Verdopplung in den letzten Jahren
Gewinne der Versicherungen aus den Pensionskassenbeiträgen
(Vergleich heutiger Bruttomethode mit Nettomethode, kumuliert)
Aus diesen Gründen:
Nein zum BVG-Bschiss am 22. September