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Warum diese Pensionskassen-Reform für die Frauen nicht funktioniert

von Gabriela Medici, Rentenexpertin beim SGB

Frauen haben 1/3 weniger Rente in der Altersvorsorge als Männer. Obwohl sie insgesamt etwa gleich viel arbeiten. Vor der Abstimmung über die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre haben viele PolitikerInnen deshalb versprochen: Wenn die Frauen bis 65 arbeiten, sollen dafür ihre Renten steigen. Doch nun zeigt sich: Die Pensionskassen-Reformzahlt sich die Frauen nicht aus. Schlimmer noch: Für viele Frauen führt diese BVG-Revision sogar zu tieferen Renten, obwohl ihnen mehr vom Lohn abgezogen werden soll. Sie sollen nach der Erhöhung des Rentenalters noch ein zweites Mal bezahlen für tiefere Renten.

Eine 50-jährige Frau mit einem Monatslohn von 5400 Franken (x13) müsste beispielsweise in Zukunft jeden Monat 100 Franken mehr bezahlen für die Pensionskasse – und würde dafür in fünfzehn Jahren monatlich rund 130 Franken weniger Rente erhalten. Davon betroffen wären auch viele alleinerziehende Frauen. Wie konnte es so weit kommen? Weil die angedachten Verbesserungen für Personen mit tiefen Einkommen mit einer Abbauvorlage verknüpft wurden. Denn das Parlament will den sogenannten Umwandlungssatz senken. Dieser Umwandlungssatz bestimmt, wie viel Prozent des einbezahlten Altersguthabens man pro Jahr als Rente bekommt.

Es ist zwar unbestritten, dass die vom Parlament beschlossenen Änderungen auch die im Gesetz seit Jahrzehnten verankerte Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter angeht. Doch die Rentenbildung in der 2. Säule geht viel zu langsam, um einzig mit dieser Änderung des Koordinationsabzugs rasche Verbesserungen zu erreichen. Und wenn gleichzeitig der Umwandlungssatz gesenkt wird, dauert es gar Jahrzehnte, bis sich die Renten der Frauen tatsächlich substanziell verbessern. Das ist mit der Dringlichkeit, die alle anerkannt haben, nicht vereinbar. Ausserdem ignoriert das Parlament bei diesem Schritt, wie Teilzeitbeschäftigung heute in den Pensionskassen versichert wird. Gemäss Swisscanto-Umfrage 2022 erleiden Teilzeitbeschäftigte und andere Geringverdienende in 86 Prozent der Kassen aktuell keine oder nur geringe Nachteile aufgrund des Koordinationsabzugs. Das Parlament setzt in der BVG-Reform also auf ein Scheinproblem, welches die Sozialpartner schon weitgehend gelöst haben.

Das reale Problem, dass die unbezahlte Betreuungs- und Erziehungsarbeit, die vor allem von Frauen erbracht wird, in der 2. Säule zu drastischen Rentenkürzungen führt, wird hingegen nicht ansatzweise gelöst. Dabei sind die Studien des Bundesrats eindeutig: Die Rentenlücke der Frauen ist vor allem die Konsequenz, wenn Paare Kinder haben. Frauen mit Kindern haben eine ca. 25 Prozent tiefere Rente als Frauen ohne Kinder. Während sich Kinder bei den Männern positiv auf die Rente auswirken (rund 5 Prozent höhere Renten). Oder anders gesagt: in den Pensionskassen bewirken Kinder eine über ein Drittel tiefere Rente. Während Kinderhaben und sich um sie und um Angehörige kümmern, in der AHV ebenfalls anerkannt und ausgeglichen wird. Denn anders als in der AHV wird die unbezahlte Care-Arbeit in der Pensionskasse nicht als Arbeit anerkannt. Die Pensionskasse ist heute untrennbar mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit und dem Vorhandensein eines Arbeitsverhältnisses verknüpft. Der Bundesrat und die bürgerlichen Parteien haben alle Versuche abgeblockt, in der 2. Säule einen Mechanismus einzuführen, welche die Betreuungsarbeit in Form von Rentenverbesserungen entschädigen würde.

Die allermeisten Frauen in der Schweiz sind heute erwerbstätig, aber Teilzeitanstellungen sind weit verbreitet. Die Teilzeitanstellungen sind denn auch der Hauptgrund für den immer noch sehr hohen Einkommensrückstand der Frauen. So verdient die Hälfte aller Frauen heute monatlich weniger als 4500 Franken. Bereits heute leiden rund eine Viertel Million Frauen an Unterbeschäftigung, die Arbeitsmangelquote der Frauen ist fast doppelt so hoch wie jene der Männer. Doch um wie gewollt mehr arbeiten zu können brauchen sie Anerkennung für die viele geleistete Arbeit, eine gerechtere Verteilung der unbezahlten und bezahlten Arbeit, bezahlbare Kinderbetreuungsstrukturen und Arbeitgeber, die ein Familienleben neben der Arbeit ermöglichen.

Auf all diese Fragen bietet die BVG-Reform keine Antwort. Im Gegenteil, genau in diesen Einkommenskategorien sind die mit der BVG-Reform drohenden Kostensteigerungen besonders hoch. Obwohl sie bereits heute stark unter der Teuerung und den steigenden Krankenkassenprämien leiden und die Kinderbetreuungskosten kaum bezahlbar sind. Nach der Erhöhung des Rentenalters soll nun auch die Senkung des Mindestumwandlungssatzes und die Erhöhung der Lohnbeiträge sie mit voller Wucht treffen.

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